Samstag, 16. Mai 2009

Licht und Schatten

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Dieser Beitrag wird demnächst noch um etliche Fotos ergänzt, eventuell auch mit Zusatztext
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Licht


Erfreulich: dieses Jahr gibt es in Rheinland-Pfalz ca. 20% mehr brütende Weißstorchpaare als 2008, der Aufwärtstrend hält also noch weiter an! Am 11.5.2009 waren in unserer Datenbank 77 Paare erfasst, 15 Paare mehr als 2008. Über den Bruterfolg kann jetzt aber noch keine Aussage getroffen werden....


Schatten

Mit bangem Blick zum wolkenverhangenen Himmel haben wir in der vergangenen Woche die Regenfälle beobachtet, die über die Pfalz hinweg zogen. Sie kamen teils in sehr kräftigen Schauern oder in stundenlangem Dauergetröpfel. Für sämtliche Nester bedeutete das: Nässe durch und durch. An der Storchenscheune ist ein Regenmesser montiert, hier die Werte: Di./12.: 24,1 Liter/m²; Mitt./13.: 2 Liter/m²; Do./14.: 3 Liter/m²; Fr./15.: 3Liter/m²; Sa./16.: 6,8Liter/m² Liter
Als "Storchenfreund" verfolgt man solche Wetterlagen immer mit einem sehr mulmigen Gefühl, speziell wenn die Küken noch klein sind und nicht zu einer eigenen Thermoregulation fähig sind. Insgesamt kann aber eine klar positive Bilanz gezogen werden: in den allermeisten Nestern gab es offensichtlich keinerlei wetterbedingten Verluste!


Dachnest Storchenscheune Bornheim
Das neue Paar im Nest auf der Storchenscheune hat mit hoher Wahrscheinlichkeit seinen ersten Brutversuch unternommen, wir brauchen zur Bestätigung allerdings noch die Rückmeldung der Vogelwarte Radolfzell. Erstbrüter haben einen geringeren durchschnittlichen Bruterfolg als "erfahrene" Brutpaare. Einige Anzeichen sprechen dafür, dass mind. einer der beiden Vögel eigentlich noch nicht "brutreif" war. Die Nestbauaktivitäten waren von Anfang an auffallend sparsam, erst ganz kurz vor der Eiablage (die nahezu überraschend erfolgte) wurde auch nur sehr knauserig Material beigeschafft. Der Unterschied zu den Nestbauaktivitäten z.B. auf der evang. Kirche Bornheim, dem Nest am Sportplatz und dem Nest auf der Zeiskamer Mühle war ganz offensichtlich. Nach dem erfolgreichen Schlüpfen begann nahezu zeitgleich die Phase stärkerer Regenfälle. Beim Betrachten der Webcambilder im Zeitraffer (aus unserem internen Bildarchiv) fällt auf: während die anderen Brutpaare regelmäßig neues Nistmaterial in z.T. erstaunlichen Mengen eingebaut haben (das alte, verdreckte Material aus dem zentralen Nestbereich wird dabei mit Schwung aus dem Nest geworfen und durch frisches Material ersetzt), blieben die Küken dieses (offenbar noch "unerfahrenen") Paares in einem offenbar immer schmutzigeren und dauerfeuchten Bereich sitzen. Da die von der Jagd im Dauerregen heimkehrenden Altstörche sich mit nassem Brustgefieder zum Hudern auf die auch von unten durchnässten Küken setzen, war die Situation für den Nachwuchs natürlich äußerst schwierig. Man muss hier betonen: dieses Nest hat vor der Brutsaison das Maximum an "Pflege" bekommen, weitere Infos ganz unten in diesem Artikel. Staunässe durch einen undurchlässigen Nestboden ist hier vollkommen auszuschließen (die Lage der verbliebenen Äste war vor Eintreffen des Brutpaares so dünn, dass man schon fast das Dach durchschimmern sehen konnte...).

Unser klares Fazit: das eigentliche Problem entstand offenbar erst durch das ("unerfahrene") Verhalten der mutmaßlichen Erstbrüter.

Einige Fakten

- ab Freitag von einem Partner nahezu keine Brutpflege mehr
- generell geringe Bereitschaft das Nest auszupolstern (trotz 4 Haufen mit trockenem Heu, die wir in Bornheim regelmäßig "nachfüllen")
- keine Staunässe, aber über viele Stunden Kollaps des elterlichen Gefieders (Verlust der Luftpolsterung durch Regen, dadurch keine effektive Wärmung der Küken mehr möglich)
- ein Küken wurde am Eingang der Storchenscheune tot aufgefunden (sämtliche Küken wurden von den Altstörchen bis zum Sonntag aus dem Nest geworfen): Gewicht 330g (Alter nach Nestkamera 12/13. Tage), demnach deutlich untergewichtig!
- Vergleich mit jüngsten Pflege-Küken aus NW: 7 Tage alt ==> etwa 340 g
- Vergleich mit ältesten Küken aus NW: 9/10 Tag (etwa 510 g, nach letzter Fütterung)

Von den Pflegeküken werden in der Regel 10% des Körpergewichts pro Fütterung gefressen.

Wir gehen aktuell von einer generellen Unterversorgung der Küken im Dachnest Storchenscheune aus, es liegt ein Mangel an Brutpflegeverhalten durch unerfahrene Jungstörche vor. Die Ursache dürfte die geringe Brutreife eines oder beider Partner/s sein. Deshalb sind die Jungen trotz optimaler Nahrungsbedingungen und angebotenem Polstermaterial verendet. Denkbar wäre auch eine andere Beeinträchtigung (Verletzung, Krankheit) eines Partners.

Das Küken wird zur Untersuchung auf Aspergillose nach Berlin gesendet, es ist wohl noch für die Analyse zu verwenden.

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Ein paar ganz persönliche Gedanken (von M. Grund)...
Die Übertragung eines solchen Naturgeschehens per Webcam stößt ohne Zweifel in Grenzbereiche des Erträglichen vor und nicht zuletzt für den Schreiber dieser Zeilen sind solche Geschehnisse durch und durch nervenzerfetzend. Aber wäre es eine Alternative, die Kamera abzuschalten? Nur eine Übertragung schöner, niedlicher Bilder? Auch wenn es jetzt allzu bemüht philosophisch klingen mag: im Kern geht es auch in einem Weißstorchnest metaphorisch um die großen, uralten Themen auf unserem Planet Erde: Leben und Tod, Liebe und Hass (analog der mit äußerster Härte geführten Kämpfe ums Nest incl. event. tödlicher Angriffe auf fremde Küken etc.), Werden und Vergehen, Leid und Glück.

Tod und Unglück, Schmerzen, Leiden: das möchten wir verdammen und vertreiben, aber wir alle können dem nicht entrinnen. Es wäre unsinnig, eine solche Nestkamera nur als idyllische Hintergrundtapete menschlicher Paradiesphantasien zu benutzen.

Ja, wir wollen und werden dem Weißstorch in unserer Region weiter helfen. Verletzte Störche werden in der Bornheimer Pflegestation aufgenommen, gesund gepflegt und wieder in die Freiheit entlassen. Aber es muss künftig auch Bereiche geben, wo wir mit einem gewissen Abstand den Weißstorch das sein lassen, was er ist und bleiben soll: ein Wildtier. Auch wenn wir dann mitunter sehr schmerzliche Beobachtungen machen müssen. Und die schmerzliche Realität ist leider: alle fünf Küken im Nest auf dem Dach der Storchenscheune sind gestorben.

Auf vielfältige Weise werden wir unsere Freizeit auch weiterhin im Kampf gegen den unsäglichen Vogel-Stromtod opfern, dem Erhalt und der Bewirtschaftung der Pfälzer Wiesen, auch und gerade für die Wiesenbewässerung, für den Bau und das Aufstellen von Nisthilfen und vieles mehr. Auch die oft sehr gefährliche Arbeit der Beringer sei hier erwähnt. Wollte man die ehrenamtlich geleisteten Arbeitsstunden zusammenzählen, die unsere Mitglieder, Freunde und Förderer in den verg. 10 Jahren geleistet haben und sie mit einem Mindestlohn vergüten: man bräuchte ein Vermögen!


In jeder "Wildstorch-Familie" kommt es vor, dass durch rein natürliche Einflüsse Küken sterben. Diese nüchtern klingende Feststellung hat nichts mit Zynismus und Gefühlskälte zu tun: sie basiert auf der klaren (aber im Einzellfalls oft sehr bitteren und schmerzhaften) Erkenntnis, dass das gesamte Leben auf unserem Planeten nach diesen Regeln funktioniert. Ein ausgewogener Standpunkt beim Thema "Hilfeleistung" ist uns wirklich sehr wichtig und wir haben es uns nicht leicht gemacht, diesen Standpunkt zu finden! Einer meiner Lieblings-Aphorismen lautet: "Man kann nach zwei Seiten vom Pferd fallen". Die eine Seite: radikales Ausschließen jeglicher Hilfe ("Natur soll Natur sein"). Die andere Seite: radikales Eingreifen und "Helfen" zu (fast) jeder Gelegenheit.

In diesem Spannungsfeld bewegt sich jeder, der im Weißstorchschutz tätig ist - ob bewußt oder unbewußt. Und wir glauben, dass die Wahrheit bzw. der richtige Weg irgendwo in der Mitte zwischen diesen zwei o.g. Extremstandpunkten liegt.

Die Pfalz, insbesondere die Vorder- und Südpfalz, ist für den Weißstorch mit Sicherheit eine klimabegünstigte Zone ("Weinbauklima", geringe durchschnittliche Niederschlagsmenge). Wir vertreten den Standpunkt, dass die Wetterlage der verg. Woche einen rein natürlichen Einfluss auf das Brutgeschehen darstellt. Die weitaus überwiegende Zahl der Küken hat den Regen vollkommen schadlos überstanden, den Unterschied macht vor allem das Verhalten der Altstörche. Und hier werden wir auch künftig der Natur nicht ins Handwerk pfuschen!
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Nestpflegemaßnahmen der Aktion PfalzStorch

Nahezu alle erreichbaren Nester in der Pfalz werden von uns bzw. den Nestbetreuern vor jeder Brutsaison "gepflegt". Das heißt: vorhandener Müll wird entfernt, der oft betonhart verdichtete Nestboden aus dem Vorjahr wird gezielt gelockert, zum Teil wird altes Material komplett entfernt und abschließend eine Schicht mit gut drainierendem Material (z.B. Schilf und geschnittene Hölzer) eingebracht. Prinzipiell ist das eine schon sehr weitgehende und intensive Maßnahme, um gefährliche Staunässe zu verhindern. Über den Sinn und event. Unsinn solcher Maßnahmen ist schon viel diskutiert worden. Die Aktion PfalzStorch vertritt jedenfalls den Standpunkt, dass diese Maßnahme ein sinnvoller Mosaikstein zum Weißstorchschutz in unserer Region ist - neben zahlreichen anderen Maßnahmen. Auf der anderen Seite vertreten wir die Meinung, dass während der Brutzeit sämtliche Eingriffe im unmittelbaren Nestbereich generell auf ein absolutes Minimum beschränkt werden sollten. Wir sind uns aber auch darüber einig, dass dieser Standpunkt nicht vollkommen dogmatisch gehandhabt werden sollte: es gibt ohne Zweifel Notfälle, in denen wir auch künftig eingreifen und helfen wollen und werden! Dazu gehört auch der zuletzt geschilderte Fall vom Heidehof: wenn ein Altstorch durch Unfall (leider meist immer noch durch Stromtod) etc. während der Brutzeit verstirbt und wir bekommen Kenntnis davon, so werden wir die Küken nicht hilflos sterben lassen.


Wir hoffen, dass durch diese Zeilen die Geschehnisse der letzten Tage im Nest Storchenscheune ein wenig verständlicher geworden sind, ebenso wie unser fachlicher Standpunkt, wie mit solchen Grenzsituationen umzugehen ist...




Mit den besten Wünschen für einen insgesamt guten "Weißstorch-Jahrgang" 2009
grüßt ganz herzlich

das Aktion PfalzStorch-Team!

9 Kommentare:

Marlene Nistler hat gesagt…

Seit 2006 verfolge ich mit meinem Enkel (heute 7 Jahre alt) die Geschehnisse auf dem Dach der Storchenscheune. Was da in dieser Brutsaison passiert ist, ist sehr traurig, gehört aber zum Leben dazu. Freuen wir uns, dass es den beiden Störchen gut geht - ich wünsche mir, dass das Paar im nächsten Jahr mehr Erfolg hat.

Vera U.G. Scherr hat gesagt…

Schon lange schaue ich mir meist mit großer Freude die Webcams vom Storchenprojekt an. Einmal war ich auch beim Storchentag. Der große Einsatz der Freunde des Weißstorchs ist immer bewundernswert. Voller Schreck sah ich gestern das leere Nest auf der Storchenscheune. Eine traurige Normalität, die aber durch die vielfältigen Erfolge nicht ausgeglichen aber doch erträglich gemacht wird. Es ist gut, dass Sie sich ganz allgemein Gedanken machen, wie weit Sie eingreifen sollen. Wie überall im Naturschutz ist es eben ein Balanceakt, weil wir so gut wie nichts mehr einfach 'natürlich' erwarten können. Dazu haben wir schon viel seit vielen tausend Jahren in der Natur verändert und in den letzten Jahrenzehnten der Natur ganz übel mitgespielt. Traurig und doch froh, dass sie da sind! Vera U.G. Scherr.

Anonym hat gesagt…

Herzlichen Dank für die ausführlichen Erklärungen und Hintergrundinformationen, Martin! Langjährige Beobachter der Bornheimer cams haben zwar gelernt mit solchen traurigen Vorfällen umzugehen, auch wenn es einem immer wieder nahe geht, aber für neue Storchenfans ist das Verständnis der Zusammenhänge besonders wichtig. Freud und Leid bei den Beobachtungen liegen wirklich sehr dicht beieinander, aber die Freude überwiegt.

Liebe Grüsse Sonja

Margret Hirner hat gesagt…

vielen Dank für den ausführlichen Bericht, der mir die Vorgänge und das tragische Ende der Jungtiere etwas verständlicher macht.
Ich schaue mir fast täglich die Webcambilder aus Bornheim an und war gestern Morgen über das leere Scheunennest sehr traurig.
Umso schöner ist es, daß die vielen anderen Jungen wohlauf sind.
Ich möchte mich bei Ihnen und allen Naturschützern für die unendliche Arbeit für uns Alle bedanken!

Anonym hat gesagt…

Lieber Hr.Grund und Freunde,
Ihren Bericht hat mich sehr gut gefallen,Klasse dargestellt, damit die Storchen Freunde sich es nicht ganz so schwer nehmen,obwohl jeder verlust mir weh tut.
Freuen wir uns weiterhin diese Wunderschöne Geschöpfe so nah und doch so weit zu sein.
Ich bewundere ihr tun sehr,ich danke Ihnen und ihre Mitstreiter.
Herzlichen Grüßen aus BiBi,M.Eiler

Anonym hat gesagt…

Lieber Hr.Grund und Team,Ihre Erklärung zum geschehen,haben Sie ganz Klasse gemacht!es stimmt, es tut weh,aber Sie haben sooo recht.
Finde ganz,ganz toll das Sie alles mögliche für die Natur und die Störche machen.
Ich wünsche den Störchen das sie gesund bleiben.
Herzlichen Grüßen aus BiBi
M.Eiler

elmontedream hat gesagt…

Hallo Martin,

für diesen plausibel und einfühlsam dargestellten Bericht bedanken wir uns recht herzlich.

Liebe Grüße von
Heidi und Bernd.

Anonym hat gesagt…

Wie man auf englisch sagt:
Death is part of life.

Sabine Bad Nenndorf hat gesagt…

Vielen Dank für den tollen Beitrag "Licht und Schatten" Ich stehe voll und ganz hinter Ihnen. Die Natur ist nunmal hart und kein reines Zuckerschlecken. Natürlich ist es schlimm, wenn man Tiere sterben sieht. Aber Leben und auch der Tod gehört nunmal zur Natur und wir wollen ja die Natur erleben. Ich bin auch der Meinung, eingreifen, wenn durch einen Schicksalsschlag (Tod eines Elternteil durch ein Unglück) die Brut gerettet werden kann. Aber den naturgemäßen Vorgängen, sollte man einfach ihren Lauf lassen. Und weggucken bringt auch nichts (Cams abschalten, wenn es mal nicht so schön ist). So lernt man ja nichts über das natürliche Verhalten von Störchen und anderen Tieren kennen.
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen und allen Storchenfreunde alles erdenklich Liebe und Gute und wünsche mir noch viele schöne Jahre mit den Störchen auf der ganzen Welt. Machen sie weiter so. Und auch nochmals vielen Dank, dass die Webcam am Sportplatz dieses Jahr wieder für alle zur Einsicht zur Verfügung steht. DANKE

Liebe Grüße aus dem Schaumburger Land
Sabine