Dienstag, 1. Mai 2007

B1: kleinstes Küken gefressen

Nach einen Anruf aus der Storchenscheune (dort hat man den Vorgang live am Monitor gesehen) bekomme ich eben den Hinweis: gegen 10.10 Uhr hat der Storchenmann das kleinste Küken mit an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit gefressen (und nicht wie wir zuerst vermutet haben aus dem Nest geworfen)! Zeitraffer-Aufnahmen haben auch eindeutig gezeigt, dass das Küken zuvor noch gelebt hat.

Die Webcam hat von diesem (aus menschlicher Sicht traurigen, aus Sicht der Weißstörche aber ganz und gar natürlichen) Moment etliche normal aufgelöste Bilder, zufällig aber auch ein hochaufgelöstes Bild (routinemäßig alle 5 Minuten) gemacht.

Dieses Bild ist an Eindringlichkeit nicht zu überbieten (für Originalgröße draufklicken):


Wichtige Info für alle neuen Nestbeobachter:
Dieses Verhalten ist bei Weißstörchen ganz und gar NORMAL! Das Gelege ist eigentlich IMMER größer als die Anzahl der groß gezogenen Küken. Häufig frißt einer der Altstörche die kleinsten Küken (Kronismus; nach eine griechischen Sage verschlang der Titan Kronos seine eigenen Kinder), oder sie werden aus dem Nest geworfen und kommen dann entweder gleich durch den Aufprall oder anschließendes Verhungern (falls der Fall durch Vegetation o.ä. gebremst wird) bzw. Gefressenwerden von Fuchs o.ä. ums Leben

Chronologie:





Klickbild unten: die letzte Aufnahme vom Küken, kurz bevor es vom Vater gefressen wird :-(


Man darf und kann hier aber keine menschlichen Maßstäbe anlegen (gemein, herzlos, sadisdisch...), genauso sind Begriffe wie Trauer, Schuld und Reue vollkommen fehl am Platz. Die Störche tun einfach das, was für das Überleben ihrer Art seit Urzeiten das Optimale darstellt, dazu gehört auch mitunter das Fressen oder Rauswerfen der eigenen Nachkommenschaft.

Die Überlebenswahrscheinlichkeit der restlichen Küken ist durch diesen kompromißlosen Selektionsvorgang gestiegen. Damit sind nur noch drei Küken im Nest, so wie in den Jahren zuvor.



In diesem Zusammenhang interessant:

Wir wissen aus unseren langjährigen Aufzeichnungen, dass die Weißstorchnester in der Südpfalz im Bereich der Queichwiesen ein absolut hervorragendes Brutergebnis haben. Die durchschnittliche Anzahl erfolgreich ausgeflogener Jungstörche liegt hier bei ca. 2.4 pro Nest. Das ist vor allem der sehr guten Nahrungssituation durch die Reaktivierung der Wässerwiesen zuzuschreiben (aber keinesfalls irgendeiner Form systematischer Zufütterung, wie manche Kritiker immer wieder gerne unken, ohne die Situation vor Ort jemals begutachtet zu haben...).

Interessant folgende Vergleichszahl: in den weltweit "besten" Weißstorchbrutgebieten mit den höchsten Reproduktionszahlen überhaupt liegt der Wert bei durchschnittlich ca. 2.9 Jungen pro Nest und Jahr. Es handelt sich vor allem um die Save-Auen und den größten polnischen Nationalpark im Tal der Biebrza. Letzterer schützt eines der riesigsten (Fläche: 59 223 ha), im natürlichen Zustand erhaltenen Niedermoorgebiete Europas.
=> http://www.biebrza.org.pl/ang/index.html

Das heißt: selbst unter optimalen natürlichen Bedingungen fliegen beim Weißstorch durchschnittlich nicht mehr als drei Junge pro Nest und Jahr aus!

Wir wünschen den drei verbliebenen Küken jetzt ganz besonders alles Storchenglück der Welt für ein gutes Wachstum und ein glückliches Ausfliegen!! Die Realisten unter den Nestbeobachtern werden aber wissen, was und wieviel bis dahin noch passieren kann...

7 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Ich meine, er hat das Küken gefressen, denn die Bilder, die ich in dem Moment um ca. 10.13h und 10.14h gesehen habe, zeigten das Küken fast komplett im Schlund verschlungen.
Aber wie auch immer, ändern kann man nichts, nur hoffen, daß die restlichen 3 es jetzt gut schaffen.

Anonym hat gesagt…

Ja, da war ich leider gerade Augenzeugin! :(
Ich weiss, dass es normal ist und empfinde die Störche deshalb nicht als böse oder so etwas, aber es zu sehen ist natürlich trotzdem sehr unschön.
Für die verbliebenen drei Küken nun alles Gute!
Andrea

Anonym hat gesagt…

Es ist natürlich nie schön, mit anzusehen, wie die Störche sich der kleinsten Jungen entledigen, aber es ist halt der natürliche Verlauf, da haben nur die Starken eine Chance. Mir tut es zwar sehr leid um das Kleine, aber mittlerweile habe ich mich auf solche Situationen eingestellt. Als ich sowas das erste Mal mitbekommen habe und noch nicht viel über Storchenverhalten wusste, war es schon schockierend. Jetzt hoffe ich wie alle anderen, dass die verbleibenden drei Jungen groß und stark werden und die Brustsaison in B1 und den anderen Nestern einen guten Abschluss findet und nicht wieder irgendeine Katastrophe passiert.
Liebe Grüße, Rouva

Anonym hat gesagt…

Das ist die Natur und die weis was zu tun ist und wir Menschen müssen es einfach aktzeptiern auch wenn wir es nicht verstehen wollen .

Mundartpoet hat gesagt…

Einerseits habe ich ahnungslos mit Martin Grund über "Pälzer SchnawwelArt" telefoniert, als "es" passierte, andererseits produzieren wir selbst Hühnernachwuchs im Überfluss, um ihn anschließend als Frühstücksei, Stubenküken, Masthähnchen oder Suppenhuhn zu konsumieren. Der Storchenmann von B1 gehorcht nur seinem Instinkt, wir Menschen häufig nicht mal unserem Verstand... Grüße von Albert (Meine Website)

Anonym hat gesagt…

Ja, was Mundartpoet schreibt ist leider Wahr, trotzdem hat es mich Traurig gemacht, wie auch die besagten Sachen die mein vorschreiber sagt.Wir sind nicht besser !
Alles Gute, Euch Störche !
und alle anderen Tieren auch !
Mercedes.

Anonym hat gesagt…

Ich wohne in Laatzen / Niedersachsen - dicht bei Hannover. Im vergangenen Jahr hat sich ein Storchenpaar, in einer Gartenkolonie auf einer von einem Blitzschlag getroffenen Kastanie ein Nest gebaut, kurz nachdem die Kastanie von dem zertrümmerten Holz befreit wurde. Natürlich war die ganze Umgebung schön weiss "gekalkt". Dennoch haben die Besitzer des Gartens die Störche gehütet wie ihren eigen Augapfel !! ... zu meiner ganz grossen Freude ! Nach Rücksprache mit dem hiesigen NABU wurde ein "Alternativnest" geschaffen, schön auf einem hohen, extra aufgestellten Stamm. Das Brutgebiet befindet sich in der "Leinemasch", also ideales Futtergebiet, die Wiesen sind schon von je her in jedem Frühjahr überflutet. Des weiteren wurden den Weißstörchen weitere Nester angeboten !! Und nun haben wir in diesem Jahr erstmals !! 7 !! NEUE Brutpaare in unserem Gebiet ! Unglaublich ! Ich denke der NABU - Naturschutzbund - hat mächtig gelernt ! Ich habe auch immer eifrig auf die Seite der "Aktion Pfalzstorch" verwiesen !! Die Mühe hat sich nach 2 Jahren nun endlich gelohnt. Ihr glaubt gar nicht wie sehr ich mich darüber freue ! Ich bin nun mal gespannt wieviele Jungstörche flügge werden !?

Ganz liebe Grüsse !