Samstag, 9. Juni 2007

Abendliche Jagd...

Im Hintergrund rauscht Wehr Nr. 5, es ist schon tief dämmrig. Gegen 21.55 Uhr fliegt der Altstorch aus dem Norden an. Im Spektiv ist gut zu erkennen, wie sein Partner auf dem Nest unruhig wird. Aber anstatt auf's Nest zu fliegen, zieht er ca. 100 Meter westlich vorbei, über den Speyerbach und landet auf Geinsheimer Gemarkung. Ich schnappe mir Stativ und Spektiv, laufe zum Wehr zurück, dann über die Brücke und ... sehe den Storch kurz darauf auf der Jagd nach Junikäfer (Rhizotrogus marginipes), die seit 30 Minuten überall aus den Wiesen krabbeln.

Selbst im letzten Tageslicht wird noch Futter für den Nachwuchs gesammelt. Teilweise verschwindet Meister Adebar hinter weißen Blüten (vielleicht Tanacetum parthenium, falsche Kamille?) am Rand einer Ackerbrache, ein paar schnelle lange Schritte - schnappen, schlucken und weiter geht die Jagd. Wertvolle Proteine für den immer hungrigen Nachwuchs.
Tolle Farben: weiße Blüten, dunkle Augen, roter Schnabel, weißer Kopf. Unterbrochen wird die Futtersuche immer wieder von Beobachtungsphasen: vollkommen still stehen, mit ganzer Aufmerksamkeit mehrere Sekunden in eine bestimmte Richtung schauen. Dann eine Kopfdrehung -- war dort gerade was? Dann plötzlich Vollgas, die langen Beine gehen zackzack, Schnabel weit vorgestreckt um genau diesen fetten Käfer noch zu schnappen, bevor er in die anbrechende Nacht fliegt.

Gegen 22.15 Uhr ist die Jagd zu Ende, der Storch hebt ab, fliegt über die Baumreihe am Bach und ist wenige Sekunden später auf dem Nest. Gemeinsames Geklapper. Kurz darauf die letzte Fütterung des Tages, ich sehe die zwei kleinen Wackelköpfe gierig die Beute verschlingen. In der Dämmerung sieht die Szene aus wie ein schwarz-weißer Scherenschnitt, den Hintergrund bildet ein wolkenloser, dunkelblauer Horizont.


Ort: Historisches Wiesenbewässerungswehr Nr. 5 am Speyerbach (Hirtenweg), NSG Lochbusch-Königswiesen

3 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Martin, zuerst diese wunderschöne Poesie und dann lese ich die obigen Artikel! Die Rücksichtslosigkeit bzw. Unverschämtheit dieser Menschen ist nicht zu verstehen. Gruss, Moni

Mundartpoet hat gesagt…

Als ich in der Nacht vom 9. auf den 10. Juni von einer Reise zurückkehrte, berichtete mir meine Frau von den "Wespen", die sie am Abend um etwa 21.30 Uhr umschwirrt hätten. Wespen? Um diese Zeit? Ohne Martins Beitrag zu kennen, vermochte ich das Rätsel beim Blumenwässern heute abend zu lösen: Bei vielleicht 20 Fangversuchen (muss lustig ausgeschaut haben!) war ich einmal erfolgreich und konnte einen aus der hundertfachen Heerschar der Brummer "ins Gras hauen" - einen Junikäfer. Ich denke, mit dem Schnabel und dem Reaktionsvermögen eines Storches hätte ich mehr Beute gemacht. Nun ja, dafür schreibe ich wohl die besseren Storchengedichte in "Pälzer SchnawwelArt"...
Grüße von Albert an alle Storchenfreunde

Anonym hat gesagt…

Danke für diese anschauliche Schilderung. Es ist ein bißchen so als wäre man dabeigeween.

Liebe Grüße aus Wien
Angela