Montag, 11. Juni 2007

Fremder Storch attackiert Jungstörche

Heute wurden die Jungstörche auf dem Dach der evangelischen Kirche Bornheim zwischen 10.50 Uhr und 10.59 Uhr von einem Fremdstorch attackiert. Mindestens eines der Jungen hat deutliche Verletzungen im Kopfbereich davongetragen. Beide Elternteile waren zur Zeit des Angriffs auf Nahrungssuche.

Bilddokumentation:

Klickbild oben: fremder Storch taucht gegen 10.50 Uhr am Nest auf. Deutlich zu erkennen: er trägt oben links am Bein einen ELSA-Ring.

Auf den folgenden Bildern ist zu sehen, wie der Eindringling die Jungstörche malträtiert, die Attacken müssen heftig gewesen sein. Auf den Bilder ist zu erahnen, dass es am Anfang teilweise noch Widerstand der Jungen gegeben hat, sie fallen aber nach kurzer Zeit in Akinese.

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Stichwort Akinese:
(griechisch: α- nicht, κινείν bewegen; synonym Akinesie oder Akinesia).

Bei einer Störung am Nest stellen sich die Jungstörche tot und werden vollkommen bewegungsunfähig. Jede Flucht aus dem Nest würde in diesem Alter entweder mit schweren Verletzungen oder gar dem Tod enden. Man nennt diesen Zustand der Bewegungslosigkeit Akinese.
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Die Szene verdeutlicht sehr eindringlich, dass die Akinese der Jungstörche auch für den Fall angreifender Artgenossen von Vorteil ist: in ihrer Altersstufe wäre jeglicher dauerhafter Widerstand gegen einen Aggressor zum Scheitern verurteilt! Gegen die kraftvollen Schnabelhiebe eines erwachsenen Storchs sind sie vollkommen chancenlos, der Versuch der Gegenwehr könnte tödlich enden.

Nach unseren internen Archivbildern blieben die Jungstörche nach dem Abflug des Angreifers ca. 13 Minuten in Akinese.

Bemerkenswerte Vergleichszahlen: nach ihrer Beringung am 26. Mai blieben diese Jungstörche ca. 14 Minuten in Akinese, der Nachwuchs vom Nest auf der Storchenscheune für ca. 20 Minuten!






Klickbild oben: nach dem Angriff verharren die Jungstörche 13 Minuten in vollkommener Bewegungsstarre.

Klickbild oben: Pfeile kennzeichnen die beidseitigen Verletzungen im Kopfbereich eines der Jungstörche. Sie waren vor dem Angriff eindeutig noch nicht vorhanden.


Klickbild: eventuell auch am Flügel eine Verletzung?


Klickbild oben: einer der Altstörche verteidigt einige Stunden später die Jungen gegen einen überfliegenden Fremdstorch (event. der Angreifer vom Morgen?)


Zuschauerfrage: ist so ein Angriff "normal"?
Man kann darauf vielleicht so antworten: eine Attacke gegen Jungstörche dieser Altersstufe ist zwar glücklicherweise selten, aber nicht generell auszuschließen. Äußerst interessant wäre zu wissen, wer dieser Storch war. Die Ringnummer kann mit der Kamera aus dieser Entfernung leider nicht abgelesen werden. Mit recht hoher Wahrscheinlichkeit handelt es sich hier wohl um einen Nichtbrüter. Für die nächste Zeit kann ein weiterer Angriff nicht ausgeschlossen werden, auch bei den anderen Nestern.


Risikoabschätzung
Die Brutstörche haben zwischen zwei Optionen zu "entscheiden": gehen beide Partner auf die Futtersuche, so ist die Nahrungsversorgung der Jungen maximal. Bleibt jeweils ein Partner am Nest, so ist zwar immer eine Verteidigungsmöglichkeit gegeben, der Nachwuchs kann aber nur mit der Hälfte der Nahrungsmenge versorgt werden.

Allerdings gibt es zwischen beiden Optionen auch fließende Übergänge, wie man an den Kameranestern sehen kann. Auf der Basis der Kamera-Archivbildern der verg. Jahre kann man einen Trend erkennen: die Jungstörche werden offensichtlich bevorzugt in den späten Abendstunden zum ersten Mal alleine gelassen. Über die Ursache kann man nur spekulieren. Ob das Angriffsrisiko in dieser Zeit signifikant niedriger ist als zu anderen Tageszeiten könnte nur eine gründliche Verhaltensstudie belegen...

5 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Martin, ist so ein Angriff auf Junstörche in diesem Alter etwas, womit man zu rechnen hat? Mir war bisher nicht bekannt, dass Fremdstörche den Jungen jetzt noch gefährlich werden können. Bei Küken, die eventuell als Beute angesehen werden, wäre das ja noch nachzuvollziehen. Hoffentlich ist keine der Verletzungen ernster Natur. Was für ein trauriger Vorfall!
Gruss Sonja

Mundartpoet hat gesagt…

Frage an Martin: Ist eine solche Attacke ein normaler Vorgang, oder könnte die gestiegene Populationsdichte der Störche ursächlich sein? Ich beobachte nämlich hier in Dirmstein, dass die Amselreviere sich an Zahl verdoppelt und an Ausdehnung entsprechend halbiert haben. Verbunden damit sind heftige Revierkämpfe, die auch jetzt während der Brutphase anhalten und von aggressiven Verfolgungsflügen begleitet sind.
Gruß von Albert, dem Mundartpoeten

Anonym hat gesagt…

Das war wirklich eine äußerst unschöne Aktion gestern. Man kann nur hoffen, dass die Verletzungen nicht zu arg sind und wieder ohne Komplikationen heilen können. Es wäre ziemlich übel, wenn jetzt einem der Jungen deswegen was passieren würde. Mich würde auch interessieren, ob es häufiger vorkommt, dass so große Junge im Nest angegriffen werden. Auf jeden Fall ist man bei der Storchenbeobachtung leider nie vor unangenehmen Überrschungen sicher.
Liebe Grüße, Rouva

Anonym hat gesagt…

Hallo,
in Erinnerung an die Verletzung der Störchin von B1 und die üblen Folgen, stellt sich für mich jetzt die Frage, ob es Sinn machen würde das ein Tierarzt sich die Wunden zur Sicherheit einmal anschaut. Wenn die Jungstörche noch in Akinese fallen sollte das doch noch möglich sein.
Oder wäre das schon zuviel "Einmischung" ?
Bei der Brutstörchin ist über ein Eingreifen ja auch nachgedacht worden.

lg
Tascha

M. Grund hat gesagt…

Solange der Jungstorch einen offensichtlich vitalen Eindruck macht, wäre eine "prophylaktische Untersuchung" der Situation nicht angemessen. Eine akute Bedrohung ist nicht erkenntlich.

Bei der Störchin konnte man ja auch nur vage Vermutungen über die Ursachen der Krankheit anstellen, ein Vergleich mit der Verletzung des Jungstorchs ist daher äußerst unsicher.

"Oder wäre das schon zuviel "Einmischung?"

Meine Antwort ist ein eindeutiges "Ja". Eine Notsituation im Sinne des BNatG liegt hier nicht vor.