Scheinbar ist alles so einfach: der Storch hat schwarze und weiße Federn, rote Beine und einen roten Schnabel. Doch wie so oft: die Sache ist komplizierter, wenn man genauer hinschaut:
Das schwarze Gefieder zeigt bei Sonneneinstrahlung ungeahnte Zwischenfarben. Je nach Betrachtungswinkel wirken die Federn mal schwach violett, mal grünlich. Mit einem gut eingestellten Monitor sollte man auf dem folgenden Bild einige dieser Zwischenfarben erahnen können:
Klickbild: im Bereich 1 sehen die Federn leicht violett aus, im Bereich 2 haben sie grünliche Farbtöne, im Bereich 3 wirken sie "normal" schwarz. Mit einer leichten Körperdrehung kann sich das Aussehen aber blitzschnell ändern.
Klickbild: je nach Betrachtungswinkel erscheinen bestimmte Bereiche der schwarzen Armschwingen viel heller.
Die zwei Mechanismen der Farberzeugung bei Vogelfedern
1. Einlagerung von Farbpigmenten
Beispiel: die gelbe Farbe etlicher Finken- und Meisenfedern entsteht durch Einlagerung von Carotinoiden (z.B. Lutein). Die kleinen gelben Federn des Grünspechts erhalten ihre Färbung ebenfalls durch Carotinoide ("Picofulvin").
Interessant ist, dass etliche Carotinoide eine zweite Eigenschaft haben: sie reflektieren stark ultraviolettes Licht! Das hat erhebliche Bedeutung für das Verständnis von Vogel-Gefiederfarben: im Gegensatz zu uns Menschen sind sehr viele Vogelarten nämlich in der Lage, mit einem zusätzlichen Rezeptor UV-Licht bzw. Wellenlängen im nahen UV-Bereich wahrzunehmen. Das hat weitreichende Konsequenzen: ein Vogel, der für unsere Augen scheinbar rein schwarze Federn hat, kann für andere Vögel total anders aussehen, wenn z.B. die schwarze Farbe im ultravioletten Bereich reflektiert. Dadurch ergeben sich ganz andere "Vogelbilder".
Beispiel: das Rotkehlchen hat eine rote Brust ohne Reflektion im ultravioletten Bereich, doch schon der männliche Dompfaff ist für Vögel schon nicht mehr ganz rot, es ist mit UV gemischt, was "Vogelpurpur" genannt wird. Blaue Federn haben fast immer einen UV-Anteil. Es kann passieren, daß die blaue Farbe nur ein winziges Anhängsel ist eines großen UV-Reflexionsgipfels, z.B. beim Elfenlauvogel.
Auch bei grünen Feder gibt es Überlagerungen, doch nur, wenn das Grün physikalisch durch Überlagerung entsteht, siehe 2. Beim Grün des Grünlings ist kein UV dabei, die Farbe hat chemische Ursachen (Pigmente, siehe oben).
2. Farberzeugung durch rein physikalische Effekte ohne zusätzliche Farbpigmente (z.B. durch Interferenz)
Die blaugrünen Schillerfarben des Eisvogels werden z.B. durch hochkomplexe, sehr regelmäßig angeordnete Microstrukturen in der Feder erzeugt. Hohlräume von ca. 168 Nanometer wechseln sich mit Keratinstäben von ca. 85 nm Dicke ab. Vereinfacht gesagt: die Größenverteilung dieser Strukturen ist für die unterschiedlichen Farben verantwortlich. Die Schillerfarben von Vogelfedern entstehen durch optische Interferenz an regelmäßig unter der Federoberfläche angeordneten dünnen Schichten. Regelmäßige Wiederholungen der Schichtungen erzeugen schmalbandige Farben hoher Intensität. Die wahrgenommene Farbe ändert sich mit dem Betrachtungswinkel. Ein weiteres Beispiel für diese Art von Farben sind die metallisch glänzenden Schillerfedern am Hals der Taube. Das Reflexionsspekturm dieser Federn weist vier Maxima auf, die sich in Abhängigkeit vom Betrachtungswinkel im Spektrum verschieben.
Genauso wird auch der dunkel violette Metallglanz der Rauchschwalbe erzeugt.
Den so erzeugten Farben ist gemeinsam, dass man sie nicht als "Farblösung" aus der Feder extrahieren kann (im Gegensatz zu Farben, die auf echten Pigmenten beruhen).
Das Schwarz des Weißstorchs
Zum Thema zurück: wie schwarz sind die schwarzen Federn des Storchs? Eine genaue Untersuchung darüber ist mir leider nicht bekannt. Folgendes Szenario ist aber recht wahrscheinlich: nach dem Artikel "Ultraviolet signals in birds are special" (pdf-Dokument) ist davon auszugehen, dass Störche einen vierten Farbrezeptor haben, der als "VS-cone" bezeichnet wird. Er dürfte sie befähigen, sehr feine Farbnuancen im Bereich zwischen reinem UV-Licht und Blau wahrzunehmen (violett-sensitiver Sensor).
Zitat: "In the Passeriformes and Psittaciformes, the four cone types are generally classied as ‘UV-sensitive’ (UVS), ‘short-wavelength sensitive’ (SWS), ‘medium wavelength sensitive’ (MWS) and ‘long-wavelength sensitive’ (LWS). In the Anseriformes, Ciconiiformes, Columbiformes and Galliformes, the UVS cone is replaced with a ‘violet sensitive’ (VS) cone."
Erwähnt werden kann in diesem Zusammenhang das extreme Farbspiel im Gefieder des Schwarzstorch, der eigentlich besser Buntstorch heißen sollte ;-)
Jeder der einmal das Vergnügen hatte, ihn aus der Nähe zu sehen, wird verstehen was ich meine: Oberseite, Kopf, Hals und Vorderbrust sind metallisch glänzend schwarz, das Gefieder schillert je nach Lichteinfall aber metallisch grünlich, purpurn, aber auch kupferfarbig. Äußerst beeindruckend. Alle diese Farben werden nicht durch Pigmente erzeugt, sondern nur durch physikalische Effekte (siehe Punkt 2 oben).
Eigentlich höchste Zeit, die Gefiedereingenschaften des Weißstorchs mal ganz genau zu untersuchen, eventuell kann man noch einige Geheimnisse entdecken! Ob es sich beim Weißstorch jedoch so verhält wie z.B. bei der Blaumeise ist ungewiß: für das menschliche Auge ist das Gefieder männlicher und weiblicher Blaumeisen vollkommen gleich. Erst wenn man die Farbeigenschaften im ultravioletten Bereich untersucht, kann man große Unterschiede sehen: die Männchen tragen im Kopfbereich Federn, die stark im Ultraviolettbereich reflektieren. Meisen sehen daher sofort, ob sie es mit einem Männchen oder Weibchen zu tun haben, während wir als uv-farbenblinde Kreaturen nur raten können. Ein Mitarbeiter der Meisen-Forschungsgruppe sagte mal sinngemäß: eigentlich müßte die Blaumeise Ultraviolettmeise heißen, da es ihre markanteste Gefiederfarbe ist.
Fazit: mit recht hoher Wahrscheinlichkeit sieht ein Weißstorch beim Betrachten eines Artgenossen sehr viel mehr Farbnuancen im Gefieder, als wir es überhaupt erahnen können. Vor allem in Wellenlängen knapp unterhalb von 400 nm (violett) bis knapp an den UV-Bereich könnten sich Weißstörche in einer für uns nicht bemerkbaren Farbenpracht sehen. Wäre toll, wenn das mal genauer erforscht würde!
Recherchequelle u.a.:
Emanuel Finger: "Physikalische und chemische Grundlagen der Farben von Vogelfedern und das ins UV erweiterte Farbensehen der Vögel"
Dissertation zur Erlangung des Doktorgrades der Naturwissenschaften (Dr. rer. nat.) der Naturwissenschaftlichen Fakultät III - Biologie und Vorklinische Medizin der Universität Regensburg
Vorgelegt von Emanuel Finger aus Ihrlerstein 1993 bei Prof. Dr. Klaus Lunau
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Wir alle sehen ja nur, was wir sehen können.
Kurt Tucholsky, (1890 - 1935); Pseudonyme: Kaspar Hauser, Peter Panter, Theobald Tiger, Ignaz Wrobel, deutscher Schriftsteller und Journalist, Literatur- und Theaterkritiker der Zeitschrift »Die Schaubühne«
Man sollte nicht immer danach urteilen, was man sieht.
Jean Baptiste Molière, (1622 - 1673)
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3 Kommentare:
Hallo Hr.Grund,
vielen dank für die unermüdliche Berichte mit sehr schönen Fotos,möchte mich bei Ihnen bedanken für die tolle Berichte und egal was für Farbe sie haben,"unsere Baby sind die schönsten,bin auch Glücklich das sie es bis jetzt alles gut überstanden haben.
Wünschen wir ihnen noch ein langes gesundes Leben.
Vilen,vielen dank!
Mercedes Eiler aus Bietighei-Bissingen
Auch ich möchte mich für die ausführliche Info in SachenFedernfarbe bedanken. Was ich mich schon länger frage:
Ist eigentlich bekannt, wie die Geschlechteraufteilung in den Nestern besteht? Wie kann man eigentlich im Nest Männchen und Weibchen auseinander halten?
Vielen Dank
Doris
Klasse Artikel! Danke
Gruß
Salo
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